3. Februar 1945
„Ich kann mich erinnern, dass mich meine Mutter auf ihrem Arm durch die Straßen trug, überall war Feuer.“
Dies erzählte mir meine Mutter, die am Ende des Zweiten Weltkriegs 4 Jahre alt war. Sie lebte in Kreuzberg, das am 3. Februar 1945 Schwerpunkt der alliierten Luftangriffe war. Es war Vormittag. Nur noch die Dümmsten unter den Nazis konnten an ihren Endsieg glauben. Doch was an diesem Tag geschah, sollte auch ihnen die Augen öffnen. Es gab einen Bomberangriff auf die Innenstadt der Reichshauptstadt. Allerdings nicht irgendeinen, sondern den dreihundertsten. Offenbar wollten die Alliierten dieses Jubiläum feiern, denn es wurde der schwerste Luftangriff des ganzen Krieges auf Berlin.
Um 10.27 Uhr heulten die Luftschutzsirenen, um 11 Uhr tauchten die Bomber am Himmel auf. Er färbte sich dunkel, so viele waren es und sie hatten das Regierungsviertel im Visier. Von Westen kommend flogen 939 „Fliegende Festungen“ der US Air Force immer die Spree entlang, ab Moabit war dann der Punkt, von dem ab die Ladung abgeworfen wurde. Durch ganz Mitte und Kreuzberg zog sich eine Schneise der Zerstörung bis nach Friedrichshain, 2.200 Tonnen Sprengstoff zerstörten das Schloss und den benachbarten Dom, Bahnhöfe, Kaufhäuser, Kirchen und tausende Wohnhäuser. Selbst U‑Bahnhöfe stürzten unter der Wucht des Angriffs zusammen, im U‑Bhf. Weberwiese starben mehrere hundert Menschen, die dort Schutz gesucht hatten.
Der Angriff dauerte nur 50 Minuten, aber er kostete etwa 20.000 Menschen das Leben. Die meisten von ihnen wurden unter den zusammenstürzenden Gebäuden begraben, von vielen blieb nichts zurück. Die Kraft der Bomben und des Feuers war stärker. Mehr als 120.000 Menschen verloren an diesem Tag ihre Wohnung, die Schneisen, die der Angriff schlug, sind zum Teil heute noch zu sehen. Um die Leipziger Straße, die Oranienstraße, den Alexanderplatz und die Wilhelmstraße hielt kaum ein Haus den Bomben stand. Die Charité wurde getroffen, das Rote Rathaus und die Staatsoper. Zerstört wurden auch die Museumsinsel, die Neue Reichskanzlei und mehrere Botschaften.
Wie viele hatten immer noch gehofft, dass es eine militärische Wende geben würde, dass die versprochene „Wunderwaffe“ V2 das Kriegsgeschehen zu Gunsten der Wehrmacht umkehren würde. Vergeblich. Unter dem Beben der Einschläge wurde vielen endlich klar, dass dieser Krieg verloren war.
Wer die Katastrophe dieses Tages überlebt hatte, sah noch Tage lang brennende Häuser und völlig zerstörte Straßenzüge. Man muss heute mal mit offenen Augen vom Halleschen Tor kommend die Wilhelmstraße, Koch- und Oranienstraße entlang laufen, um das Ausmaß der Zerstörung zu begreifen. Komplette Häuserblöcke waren durch die Wucht zerstört worden, Straßenzüge über einen Kilometer hinweg zusammengestürzt. Bis zum Moritzplatz zogen sich die Flächen hin, manche sind noch heute unbebaut.
Der 3. Februar 1945 war einer der schwärzesten Tage in der Geschichte der Stadt. Zwar folgen noch zehn Wochen lang weitere Angriffe aus der Luft, am 26. sogar ein noch größerer. Wer aber den 3. Februar überlebt hatte, wollte nur noch die restlichen Wochen herum bringen.
Zehn Tage nach dem Bombardement stand Dresden auf der Liste. Dort starben in der Nacht zum 14. Februar mehrere zehntausend Menschen, weil die britischen Phosphorbomben einen Feuersturm entfacht hatten – ein Schicksal, das Berlin erspart geblieben war.
Foto: Bundesarchiv, Bild 183-J31346 / CC-BY-SA 3.0