7. Mai 1989
Dass die Wahlen in der DDR nach bürgerlichen Maßstäben demokratisch waren, glaubte wohl kaum jemand. So standen auf der Wahlzettel nicht etwa einzelne Parteien zur Auswahl, sondern nur die Kandidaten der „Nationalen Front“. Die sogenannte Wahl verlief so, dass man den Zettel faltete und in die Wahlurne warf, ohne vorher eine Wahlkabine zu betreten. Ankreuzen musste man nicht. Wenn man aber dagegen stimmen wollte, muss man sämtliche Namen durchstreichen. Dadurch war sofort ersichtlich, wer für oder gegen die „Einheitsliste“ gestimmt hatte, da man dafür in die Kabine gehen musste.
Am Abend der Wahl wurden die Stimmzettel ausgewertet, die angeblichen Zustimmungsraten lagen immer knapp unter 100 Prozent und waren vermutlich schon vorher beschlossene Sache.
Dies sollte bei der Kommunalwahl am 7. Mai 1989 anders werden: In der gesamten DDR folgten BürgerInnen dem Aufruf oppositioneller Gruppen, die Auszählung der Stimmen zu beobachten und zu protokollieren. Da laut Wahlgesetz der DDR eine solche Beobachtung zulässig war, wurde sie in den meisten Fällen auch nicht verhindert, zumal es in der Vergangenheit selten auch mal dazu kam. Diesmal aber sollten die Ergebnisse der Auszählung gleichzeitig protokolliert werden, so dass die tatsächliche Zustimmungsrate in den einzelnen Wahllokalen mit den später veröffentlichten Daten verglichen werden konnten.
In rund 1.000 Wahllokalen erfolgte an diesem Tag die Beobachtung der Auszählung und die Registrierung der Ergebnisse, in Weißensee sogar in sämtlichen Wahllokalen. Und wie vermutet, wiesen die Ergebnisse aus praktisch allen Wahllokalen große Differenzen auf mit den später verkündeten. In Weißensee betrugen die Nein-Stimmen das Doppelte der offiziellen Zahlen, in anderen Stadtbezirken noch darüber. Damit war der breit angelegte Wahlbetrug der Regierung bewiesen.
In den Monaten nach der Kommunalwahl gab es deshalb immer am 7. Tag eines Monats Proteste gegen den Wahlbetrug. Diese eskalierten am 7. Oktober, an dem die Regierung den 40. Geburtstag der DDR feierte.