
7. Oktober 1989
Am 40. Republikgeburtstag der DDR fand auf dem Alexanderplatz ein großes Fest statt. Zwar waren Tausende gekommen, doch die Stimmung war extrem angespannt. Vereinzelt gab es sogar Rufe wie „Freiheit, Freiheit!“, doch die zahlreich anwesenden Stasi-Leute griffen kaum ein, weil es viele westliche Fernsehteams auf dem Platz gab.
Im Palast der Republik fand die offizielle Festveranstaltung der Regierung statt, anwesend waren mehrere Staatschefs anderer sozialistischer Länder. Darunter auch Michael Gorbatschow aus der Sowjetunion, der aufgrund seines Reformkurses viele Anhänger in der DDR-Bevölkerung hatte.
Am Abend sammelten sich Hunderte von Menschen auf dem Alexanderplatz und zogen zum Marx-Engels-Forum, auf der gegenüberliegenden Spreeseite des Palastes. Der Zug wuchs auf etwa 2.000 Personen an, die Parolen riefen wie „Wir sind das Volk“ und „Gorbi, Gorbi“. Polizeiketten verhinderten, dass die Menschen über die Brücken kamen.
Solange die Staatsgäste noch im Republikpalast waren, verhielt sich die Staatsmacht friedlich. Es formierte sich ein erneuter Demonstrationszug, der in den Prenzlauer Berg zur Gethsemanekirche im Prenzlauer Berg wollte, wo seit Tagen eine Mahnwache mit vielen jugendlichen Teilnehmern abgehalten wurde.
An der Kreuzung Mollstraße / Hans-Beimler-Straße (heute: Otto-Braun-Straße) stellten sich Ordnungsgruppen der Freien Deutschen Jugend (FDJ) den Menschen in den Weg. Die Demo wandte sich Richtung Karl-Liebknecht-Straße, vor dem Gebäude der staatlichen Nachrichtenagentur ADN skandieren die Teilnehmer: „Lügner! Lügner!“ und „Pressefreiheit!“.
Dann fuhr die Volkspolizei mit Mannschaftswagen vor und zusammen mit Schlägern der Staatssicherheit begannen sie, auf die Demonstranten einzuprügeln. Innerhalb der nächsten Stunden wurden Tausende durch die Straßen des Prenzlauer Bergs gejagt. Die Schergen machten keinen Unterschied, ob sie Protestierer oder einfach nur Anwohner zusammenschlugen. Erstmals setzte die Polizei spezielle LKWs ein, die vorn mit hohen Gittern ausgestattet waren und mit denen sie die Straßen freiräumten.
In dieser Nacht wurden Hunderte von Menschen festgenommen und misshandelt. Viele von ihnen wurden verletzt, aber stundenlang nicht behandelt. Ein Teil von ihnen kam in inoffizielle Lager, die – wie später bekannt wurde – schon seit Langem für die Inhaftierung von Oppositionellen eingerichtet worden waren. In einem davon, auf einem militärischen Gelände am Blankenburger Pflasterweg, wurden über 100 Menschen misshandelt, sie durften sich stundenlang nicht hinsetzen, nicht bewegen und wurden immer wieder geschlagen.
Die Gewalt der Vopo und Stasi hat vielen Menschen, vor allem im Prenzlauer Berg, vor Augen geführt, dass die damalige Regierung nicht reformierbar war. Dass kurz danach der Staatschef Erich Honecker durch Egon Krenz ausgetauscht wurde, konnte diese Einstellung nicht mehr ändern.
In den folgenden Tagen und Wochen gab es erneute Protestdemonstrationen, schon am 8. Oktober wurden dabei 100 TeilnehmerInnen verhaftet. Außerdem kesselte die Polizei etwa 3.000 Menschen ein, die aus einer Andacht in der Gethsemanekirche kamen, dann wurden auch sie auseinander geprügelt.
Am 16. Oktober protestierten wieder etwa 3.000 Menschen, am 21. Oktober bildeten mehrere Tausend eine Menschenkette gegen die staatliche Brutalität. 12.000 Demonstranten gingen am 24. Oktober auf der Straße und der Höhepunkt war die größte Massendemonstration der DDR am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz, an der Hunderttausende teilnehmen. Die Menschen haben sich durch das brutale Vorgehen des Staates, durch die blutigen Prügelorgien von Stasi und Vopo nicht mehr einschüchtern lassen.