
7. Februar 1946, 31. Dezember 1993
Eine wichtige Institution während der Teilung Berlins war der Rundfunk im amerikanischen Sektor (RIAS). Anfangs war er als Propagandasender im Kalten Krieg gedacht, doch schon bald wandelte er sich zu einem der beliebtesten Radiostationen – mit Hören in beiden Teilen der Stadt.
Begonnen hatte er am 7. Februar 1946 als Drahtfunk im amerikanischen Sektor (DIAS) mit seinen ersten Sendungen aus dem Fernmeldeamt in der Winterfeldstraße. Empfangen konnten DIAS mit seinem siebenstündigen Programm nur die Berliner, die über einen noch unbeschädigten Telefonanschluss verfügten.
Dr. Franz Basté, Intendant des DIAS, gab in seiner Begrüßungsrede den Hörern der ersten Stunde ein Versprechen, das über 46 Jahre Programmatik und Verpflichtung des Senders bleiben sollte:
„In allem, was wir senden, werden Sie uns strikt neutral finden. Auswahl und Form unserer Nachrichten werden ungefärbt und sachlich sein. Wer immer etwas Wesentliches zu sagen hat, wird es bei uns sagen können, welche Richtung und Weltanschauung er auch vertrete, wenn gewisse selbstverständliche Grenzen gewahrt bleiben, die uns gezogen sind. Die Forderung, die wir uns stellen, lautet: das möglichst Beste für so viele wie möglich!“
Noch im September des gleichen Jahres wurde der DIAS-Drahtfunk zum Rundfunk-Mittelwellensender RIAS. Dazu wurden zwei ausrangierte Sender der US-Army in Britz zur Sendestation umgebaut. 1948 bezog der „RIAS Berlin“ das Funkhaus in der Kufsteiner Straße. Seit dem 1. Oktober 1950 wurde das Programm über UKW ausgestrahlt.
In wenigen Jahren wurde die Station zu einer der wichtigsten Informationsquellen der Frontstadt Berlin und der sowjetischen Zone. Im sich verschärfenden Ost-West-Konflikt sah er sich als „Freie Stimme der freien Welt“ den Menschenrechten, der Demokratie und der deutschen Wiedervereinigung verpflichtet. Dabei waren es bald eher die kulturellen Sendungen, die mit ihren internationalen Akzenten Maßstäbe setzten und deren erfolgreiche Unterhaltungsprogramme weit über das eigene Sendegebiet hinaus zur Popularität West-Berlins und des Hörfunks in Deutschland beitrugen.
Trotz des jahrelangen Einsatzes von Störsendern durch die DDR blieb der RIAS auch im Osten lebendig und beliebt. Für viele ostdeutsche Bürger bedeutete der RIAS vor allem nach dem Mauerbau eine Möglichkeit, sich aus der Sicht des Westens zu informieren. Dabei versuchte der RIAS auch immer, einen Kontakt zu den DDR-Hörern aufzubauen, indem ständig Adressen in West-Berlin durchgesagt wurden, die für kurze Zeit als Kontakt für Briefe aus dem Osten fungierten. So sollte eine Kontrolle durch DDR-Organe erschwert werden. Und tatsächlich erreichten am Tag bis zu 1.000 Briefe aus der DDR den Sender.
Als 2. Hörfunkprogramm ging 1953 RIAS 2 auf Sendung.
Am Unterhaltungsprogramm des RIAS hatte Hans Rosenthal einen besonderen Anteil. Er führte die erfolgreichen Quizsendungen Wer fragt, gewinnt und Allein gegen alle, das Funkkabarett Die Rückblende sowie Das Klingende Sonntagsrätsel ein.
Als erster deutschsprachiger Sender begann der RIAS in den 1970er Jahren mit der Ausstrahlung von Marathon-Popnächten unter dem Titel Rock over RIAS. Nach der am 30. September 1985 vollzogenen Umwandlung von RIAS 2 in einen 24-Stunden-Popmusik-Kanal wurde dieser Wegbereiter für andere Jugendprogramme, wie dem SFB. Am 30. September 1985 wurde RIAS 2 zu einem 24-Stunden-Jugend-Programm umgestaltet und erreichte allein in West-Berlin auf Anhieb 300.000 Hörer pro Stunde.
Am 1. Juni 1992 wurde RIAS 2 privatisiert und in rs2 umbenannt. rs2 sendet heute in Berlin auf derselben UKW-Frequenz 94,3 MHz, auf der zuvor RIAS 2 ausgestrahlt wurde. RIAS 1 sendete noch bis zum 31. Dezember 1993 um 23.55 Uhr und beendete dann sein Programm. Im ehemaligen RIAS-Funkhaus sitzt heute der Nachfolgesender: Deutschlandfunk Kultur. Die Adresse ist nach dem beliebtesten Moderator des RIAS benannt: Hans-Rosenthal-Platz.
Wichtige Stationen des RIAS:
- Der RIAS kultivierte bestimmte Sendeformate und brachte bundesweit bekannte Journalisten und Entertainer hervor. Schon am ersten Sendetag sprach Friedrich Luft. Seine „Stimme der Kritik“ fand über 40 Jahre lang jeden Sonntagmittag seine Theater-interessierte Hörerschaft und ist damit die längste Liveserie in der Geschichte des deutschen Rundfunks.
- Am 17. Februar 1946 – also zehn Tage nach Sendebeginn – stand das erste Hörspiel auf dem Programm: „Our little town“ von Thornton Wilders. Die ab 1947 wöchentlich ausgestrahlten Hörspiele wurden aufgrund ihrer literarischen und darstellerischen Qualitäten in den Folgejahren mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
- Am 6. Juli 1947 begann Onkel Tobias vom RIAS und begleitete die Kinder Berlins viele Jahre.
- Weihnachten 1948: Günter Neumanns Premiere des legendären Funkkabaretts Die Insulaner.
- Während der Blockade 1948/49 sendete der RIAS aus Lautsprecherwagen, die durch die Stadt fuhren, da die West-Berliner nur wenige Stunden Strom am Tag hatten und so auch kein Radio hören konnten.
- 1949 begann der Sender mit seiner erfolgreichen Sendereihe Funkuniversität: Ihr Ziel war es, moderne wissenschaftliche Fragestellungen und Forschungsergebnisse für den Laien begreifbar darzustellen.
- Im Februar 1951 wurden zwei weitere neue Sendungen eingeführt: In Wo uns der Schuh drückt nahm der Regierende Bürgermeister Ernst Reuter (und später seine Nachfolger) zu aktuellen Problemen in der Stadt Stellung.
- Die gleichzeitig anlaufende Reihe Es geschah in Berlin wurde zu einem wahren Straßenfeger: In fast 500 Folgen berichtete der RIAS in Zusammenarbeit mit der Kriminalpolizei von Straftaten mit kriminellem und politischem Hintergrund.
- 40 Jahre lang überlebte das im Sommer 1951 eingeführte RIAS Schulklassengespräch: Hier brachte der Sender Jugendliche zur Diskussion mit dem Regierenden Bürgermeister zusammen.
- John Hendrik startete 1958 mit seinem Club 18 die bald populärste Jazz-Sendung im deutschen Rundfunk. Dabei wurden Jazz-Konzerte auch live übertragen.
- In unmittelbarem Zusammenhang mit dem Mauerbau am 13. August 1961 entwickelte der RIAS – aus der Situation heraus – das Genre des Magazins. Politische Kommentare, Interviews und Live-Reportagen vor Ort wechselten sich ab. Bald kopierten auch andere Sender dieses Format.
- Mit „Musik kennt keine Grenzen“ begann der RIAS nur zwei Wochen später seine Gruß-Sendung. Viele tausend Menschen aus beiden Teilen der Stadt sandten sich über die Jahre persönliche Grüße.
- Hans Rosenthal betrat 1965 die Funkbühne. Am 7. März moderierte er zum ersten Mal das Klingende Sonntagsrätsel.
- Im Jahre 1985 wurde RIAS 2 als junge Welle profiliert, um speziell jüngere Berliner anzusprechen. Mit aktueller Musikauswahl, kompakten Informationen und starker Einbeziehung der Hörer schlug der Sender in Ost und West wie eine Bombe ein.
- Ab 1988 versuchte sich der RIAS auch im Fernsehen: RIAS-TV sendete ab dem 22. August vorerst wochentags im Vorabendprogramm, schon im Oktober auch als „Frühstücksfernsehen“. Schwerpunkt waren Nachrichten und Magazinsendungen.
- 1992 dann die Aufteilung des RIAS. Der TV-Sektor wurde der Deutschen Welle angegliedert und ist dort als Deutsche Welle Fernsehen sehr erfolgreich.
- Der Rundfunk wurde gesplittet: Während der RIAS als Deutschlandradio unter dem Dach der ARD und des ZDF werbefrei weitersendet, wurde RIAS 2 zum Privatsender r.s.2.
- Im Mai 1992 ging die Geschichte des einstigen Rundfunks im amerikanischen Sektor zu Ende und damit ein wichtiges Stück der Berliner Nachkriegsgeschichte.
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