Die Verhaftung des Bürgermeisters

9. September 1998

Am späten Nach­mittag des Tages betraten zwei Poli­zisten das Rathaus Tier­garten und nahmen den amtie­renden Bezirks­bür­ger­meister Jörn Jensen fest. Er nahm gerade am Bauaus­schuss teil, als die Beamten aus der Wache in der Krupp­straße auftauchten und ihn in Hand­schellen abführten.

Die CDU-Abge­ord­neten witterten einen Skandal um den ersten Bürger­meister der Grünen im Bezirk. Doch anstatt ins Gefängnis brachten ihn die Poli­zisten in die Doro­theen­städ­ti­sche Buch­hand­lung. Dort empfing ihn der Inhaber Klaus-Peter Rimpel mit den Worten: „Tut mir leid, aber es musste sein. Es ist ja bekannt, dass die Poli­tiker schnell mal ins Ausland flüchten.“ Tatsäch­lich wollte Jensen am nächsten Tag in den Urlaub nach Däne­mark fahren.

In der Buch­hand­lung eröff­nete Jensen die erste „Moabiter Krimi­nale“ – eine der inter­es­san­testen Lite­ratur-Veran­stal­tungs­reihen in Berlin, die bis heute exis­tiert.
Außer Jörn Jensen selbst, den betei­ligten Poli­zisten sowie Klaus-Peter Rimpel wusste vorher niemand etwas von dem Coup. Die Moabiter Krimi­nale wurde so zünftig mit einer Verhaf­tung und einem Skandal aus der Taufe gehoben. Zwar erhielten die Beamten danach von ihren Vorge­setzten einen Rüffel, aber das war es wert.