20. Mai 1925
In der Spree innerhalb Berlins gilt ein Badeverbot. Das war jedoch nicht immer so. Im 19. Jahrhundert begannen mehrere Privatunternehmer, Fluss-Badeanstalten zu installieren. Begonnen hatte es mit dem Welpersches Badeschiff an der Langen Brücke (1803), es folge das Bad an der Kronprinzenbrücke (1811), Pfuels Militärunterrichts- und Schwimmanstalt an der Köpenicker Str. 12, die auch Zivilisten zugänglich war (1817) sowie 1825 die Pochhamersche Badeanstalt, westlich der Jannowitzbrücke.
Der 1830 entstandene Plan, ein erstes städtische Flussbad zu errichten schlug fehl, weil die Stadtverordnetenversammlung dies zur „Vermeidung von Unglücksfällen“ ablehnte. Der Magistrat, die Polizeibehörde sowie Schulen forderten jedoch öffentliche Badeanstalten zur „Verbreitung der Schwimmkunst“. Dabei dienten die Anstalten nicht nur dem Schwimmen lernen, sondern auch der Hygiene – auch wenn man sich das in der Spree kaum vorstellen kann. Tatsächlich gab es aber schon im Mittelalter sogenannte Badestuben am Krögel (nördliche Mühlendammbrücke), dem Köllnischen Fischmarkt (nördliche Mühlendammbrücke) und dem Neuen Markt (heute Marx-Engels-Forum), die ebenfalls das Wasser der Spree nutzten.
Unabhängig von der Stadtverordnetenversammlung entstand 1847 die erste staatliche Fluss-Badeanstalt, die jedoch gar nicht an einem Fluss lag: Das Studentenbad an der Ratiborstraße befand sich an der Biegung des Landwehrkanals.
1850 beschloss das Berliner Parlament, nahe der Waisenbrücke einen sogenannten Badeprahm zu errichten. Das war ein Badeschiff, das von der ärmeren Bevölkerung kostenlos genutzt werden konnte, allerdings nur von Männern. Auch in alle folgenden Fluss- und Kanalbadeanstalten durften nur Männer: An der Fennbrücke am Nordhafen, an der Burgstraße sowie der Schlossfreiheit. Die erste beiden Frauen-Badeanstalten entstanden ab 1863 an der Waisen- und der Schillingbrücke. Es folgten weitere Bäder, nach Geschlechtern getrennt, u.a. an der Lessingbrücke, der Mühlen- und der Cuvrystraße sowie ein zweites im Nordhafen.
Die Fluss-Badeanstalten waren in der Regel aus Holz und hatten eine, manche auch zwei Etagen. Dort befanden sich die Einzel- und Gruppenkabinen zum Umziehen inklusive abschließbaren Schränken. Der eigentliche Schwimmbereich war durch hohe Holzzäune mitten im Wasser abgegrenzt.
Dass es einen Bedarf für die Bäder gab, zeigen die Nutzerzahlen. 1885 nutzen 600.000 Menschen die Gelegenheit zum Baden und Schwimmen, allein in den städtischen Anstalten. Zwanzig Jahre später waren es fast 900.000. Und das, obwohl bereits einige feste Bauten als Volksschwimmhallen errichtet worden waren, wie die in der Gartenstraße (1888), der Baerwald- (1901), Oberberger (1902) und der Gerichtstraße (1907).
Nach dem Ersten Weltkrieg begann der Niedergang der Fluss-Badeanstalten. Dies hatte mehrere Gründe. Zum einen stieg der Schiffsverkehr, der durch die Aufbauten der Bäder behindert wurde. Außerdem wurden die Ufer der Spree immer weiter zugebaut. Dadurch war nicht nur weniger Platz an den Ufern, sondern die vermehrten Einflüsse der Abwässer verschmutzten die Spree derart, dass sie aus hygienischen Gründen nicht mehr zum Baden geeignet war. Dazu kam noch die wachsende Industrialisierung flussaufwärts, durch den der Fluss ebenfalls verschmutzt wurde.
Am 20. Mai 1925 beschloss der Magistrat auf Drängen des Hauptgesundheitsamtes die Schließung der verbliebenen Fluss-Badeanstalten in der Spree sowie den Kanälen. Zwar betraf das Verbot nur die städtischen Einrichtungen, doch auch die meisten privaten Bäder schlossen in den folgenden Monaten. Nur das Studentenbad an der Ratiborstraße bestand noch bis 1956, insgesamt also über 100 Jahre. Dann wurde es aufgrund der schlechten hygienischen Bedingungen ebenfalls geschlossen. Damit war eine 150 Jahre währende Epoche der Badekultur in Berlin zu Ende. Insgesamt hatte es in dieser Zeit zwischen Oberspree und Moabit mindestens 30 private und städtische Fluss-Badeanstalten gegeben. Noch heute erinnert in Rummelsburg daran der Straßenname „Zur alten Flussbadeanstalt“.