Kampf gegen Hausbesetzer

1981 kamen mehrmals Demonstranten ums Leben oder wurden schwer verletzt.

22. September 1981

Richard von Weiz­sä­cker wurde die letzten Jahr­zehnte in der deut­schen Gesell­schaft sehr verehrt. Doch viele Berliner, die in den 1980ern jung waren, haben ein anderes Bild von ihm. Denn er ist mitver­ant­wort­lich für den Tod mehrerer Menschen, die während seiner Zeit als Regie­render Bürger­meister durch die Polizei zum Opfer wurden. Weiz­sä­cker hielt sich als Innen­se­nator den CDU-Partei­freund Hein­rich Lummer, der später seinen Posten räumen musste, weil ihm Geld­zah­lungen an die NPD nach­ge­wiesen wurden. Über­rascht hat die Unter­stüt­zung der Neonazis kaum jemand, Lummer galt schon immer als stramm rechter Recke.

Am 22. September 1981 schlug der Berliner Senat zu: 200 Haus­be­set­zungen hatten ihn in den Vormo­naten gequält, nun sollte damit Schluss sein. Obwohl sich viele der besetzten Häuser um eine Lega­li­sie­rung bemühten, ging der Senat mit äußerster Härte gegen sie vor, er war an einer fried­li­chen Lösung nicht inter­es­siert.

Den Blut­hund machte Hein­rich Lummer, er setzte die harte Linie durch, sein Chef Richard von Weiz­sä­cker nickte sie ab. Mindes­tens zwei Tote und über 200 Verletzte forderte das Vorgehen der Polizei. Weiz­sä­cker scha­dete es nicht, er konnte vier Jahre später in seiner „Berliner Rede“ den guten Menschen spielen. Im Herbst 1981 jedoch war er mitver­ant­wort­lich für eine unsäg­liche Hetze gegen tausende junger Menschen in unserer Stadt, die einen Teil der rund tausend leer­ste­henden Wohn­häuser Berlins besetzt hatten.

Die Machen­schaften der Speku­lanten, die die Häuser verrotten ließen, um Abriss­ge­neh­mi­gungen zu bekommen und dann teure Neubauten errichten zu können, hatten zu dieser Zeit einen Höhe­punkt erreicht. An den Groß­de­mons­tra­tionen nahmen im Sommer bis zu 80.000 Menschen teil und sie kamen aus allen Schichten. Zwar waren auch zahl­reiche gewalt­su­chende Auto­nome darunter, doch in der dama­ligen Haus­be­set­zer­be­we­gung waren sie ein kleiner Teil.

Weiz­sä­cker und Lummer störte das nicht, sie kündigten sieges­si­cher schon einige Tage vorher die Räumung von acht ausge­wählten Häusern an. In diesen Gebäuden lebten Studenten, Schüler, Musiker, keine Krawall­su­chenden oder Auto­nomen. Am Morgen des 22. September 1981 versam­melten sich vor und in den Häusern jeweils mehrere hundert Menschen zum Schutz, Uni-Semi­nare wurden in Häuser verlegt, um den harm­losen Charakter und die Soli­da­rität zu demons­trieren. Doch es half alles nicht. Die Polizei setzte massiv Tränengas, Knüppel und Wasser­werfer ein, die Häuser wurden mit Baggern gestürmt, an die Ramm­böcke aus Stahl geschweißt waren.

Obwohl es in den Häusern keine aktive Gegen­wehr gab, rastete die Polizei aus, auch aufge­sta­chelt dadurch, dass sich Lummer auf dem Balkon eines der Häuser in Napo­le­on­ma­nier zeigte und dort eine impro­vi­sierte Pres­se­kon­fe­renz hielt. Sie prügelte eine Gruppe von Demons­tranten, die sich auf der Bülow­straße befand, mitten in den Verkehr der Pots­damer Straße. Dabei wurde der 18-jährige Klaus-Jürgen Rattay vor einen fahrenden BVG-Bus getrieben. Er verschwand sofort unter einem der Vorder­reifen und wurde noch einige Meter mitge­schleift. Klaus-Jürgen Rattay war sofort tot. In den kommenden Minuten und Stunden wurden in die Blut­lache immer wieder Blumen hinein­ge­legt, am Bord­stein entstand eine kleine Mahn­wache. Doch die Stiefel der Polizei tram­pelte es immer nieder, es durfte kein Gedenken geben.

Der dama­lige Poli­zei­prä­si­dent Klaus Hübner behaup­tete später, Rattay sei „in einen Autobus gerannt“. Kein Wort davon, dass es seine Poli­zisten waren, die ihn dort hinge­prü­gelt haben und die an diesem Tag teil­weise zwei, drei Minuten lang mit Knüp­peln auf Menschen einschlugen, die längst wehrlos am Boden lagen. Sie haben den Tod von Klaus-Jürgen Rattay verur­sacht. Frei nach der Parole, die ihr oberster Dienst­herr wenige Minuten vorher bei der Pres­se­kon­fe­renz ausge­geben hatte: „Wenn schon, denn schon, in einem Aufwasch ist das am besten erle­digt.“

Noch heute sind die damals Betei­ligten nicht frei von Emotionen. Viele hat der dama­lige Tag an eine Poli­zei­dik­tatur erin­nert, ehema­lige Wider­stands­kämpfer gegen die Nazis waren scho­ckiert, was sie dort erleben mussten. Der Tag hat die Macht des Staates gegen die Bevöl­ke­rung mit aller Gewalt demons­triert und bewiesen, dass so etwas nicht nur in auslän­di­schen Dikta­turen möglich ist.