Der aufrechte Hinckeldey

Das Steinkreuz erinnert noch heute an Hinckeldey

10. März 1856

Wer vom Jakob-Kaiser-Platz kommend den Kurt-Schu­ma­cher-Damm Rich­tung Norden fährt, kommt direkt an einer verkehrsum­tosten Brücke vorbei, die hier den Hecker­damm über die Stadt­au­to­bahn führt. Sie ist nach einem Mann benannt, der schon lange vergessen ist und doch für Berlin eine sehr wich­tige Funk­tion hatte. Vor allem aber war Carl Ludwig Fried­rich von Hinckeldey ein im Volke beliebter Mann, wenn auch nicht von Anfang an.

Nach der Revo­lu­tion 1848 war die bewaff­nete Obrig­keit in Berlin gene­rell nicht gut gelitten, die Toten vom 18. März waren noch nicht vergessen, als Hinckeldey sein Amt als Gene­ral­po­li­zei­di­rektor antrat. Heute würde man ihn den Poli­zei­prä­si­denten nennen. Er galt als sehr eigen­sin­niger und gestrenger Mann, trotzdem als sozial denkend. Wer sich nicht an die Regeln hielt, bekam es mit ihm zu tun, egal ob Tage­löhner, Bürger oder Adliger.

Ludwig Hinckeldey war verant­wort­lich für zahl­reiche Verhaf­tungen, baute den Spit­zel­ap­parat aus, ließ viele Demo­kraten einsperren. Flächen­de­ckende Kontrollen auf Straßen und in Bahn­höfen verun­si­cherten Krimi­nelle und wen Hinckeldey dafür hielt. Außerdem über­wachte er scharf die Pres­se­zensur. Er nahm sein Amt so ernst, dass ihm jede Günst­lings­wirt­schaft fremd war. Ohne Rück­sicht auf Verdienste oder Stel­lung des anderen ging er gegen Unge­setz­lich­keiten vor, selbst gegen die fast über dem Gesetz stehende Junker­partei. Anders als Seines­glei­chen zog er aus seiner Stel­lung keine mate­ri­ellen Vorteile, weshalb er auch nie reich wurde. Sein Verhalten brachte ihm bald Ansehen in der Bevöl­ke­rung ein, aber scharfe Ableh­nung im Adel.

Die dama­ligen Poli­zei­prä­si­denten hatten im 19. Jahr­hun­dert weit mehr Macht als heute. So führte Hinckeldey in Berlin die Berufs­feu­er­wehr ein, gemein­nüt­zige Einrich­tungen, das Einwoh­ner­mel­deamt. Außerdem gestat­tete er Ernst Litfaß die Aufstel­lung seiner Werbe­säulen, um dem wilden Plaka­tieren ein Ende zu bereiten. Die Berliner Schutz­männer mussten an ihren Zylin­dern, die damals Teil der Uniform waren, öffent­lich ihre Dienst­num­mern tragen, um iden­ti­fi­zierbar zu sein.

Da sich der Adel für etwas Besseres und über dem Gesetz stehend hielt, war der Gene­ral­po­li­zei­di­rektor immer mehr Anfein­dungen ausge­setzt. Doch seine Loya­lität und Unpar­tei­isch­keit faszi­nierte den König von Preußen, Fried­rich Wilhelm IV. Reak­tio­näre Kreise des höfi­schen Mili­tärs verab­re­deten jedoch, Hinckeldey loszu­werden. Sie stellten ihm eine Falle. Als er einen ille­galen, von Adligen betrie­benen Spiel­club schließen ließ, provo­zierte ihn der Offi­zier Hans von Rochow, bis Hinckeldey die Kontrolle über sich verlor. Er forderte von Rochow zum Duell heraus. Duelle waren zu der Zeit längst verboten und dass Ludwig Hinckeldey einen solchen Schritt tat, zeigt, in welcher Erre­gung ihn diese Konfron­ta­tion gebracht hatte. Da Hinckeldey trotz seiner Posi­tion kaum prak­ti­sche Erfah­rung mit Waffen hatte, war der Ausgang der Ausein­an­der­set­zung vorher­sehbar – und genau so beab­sich­tigt. Es wurde vermutet, dass Ludwig Hinckeldey darauf hoffte, der König würde das Duell noch verbieten, aber das geschah nicht. Die patri­ar­chi­schen Ehren­ko­dexe dieser Zeit verboten aber auch einen Rück­zieher.

Am frühen Morgen des 10. März 1856 passierte in der Jung­fern­heide, was geplant war: Von Rochow erschoss Hinckeldey. Er wurde dafür später zu vier Jahren Festungs­haft verur­teilt, aller­dings war er schon nach einem Jahr wieder in Frei­heit. Der König soll nach der Nach­richt von Hinckel­deys Tod geweint haben. Als nach dem Tod des Poli­zei­chefs bekannt wurde, dass er ein sehr armes Leben geführt hatte, wurden in der Bevöl­ke­rung für seine Witwe inner­halb weniger Tage 10.000 Taler gesam­melt. Dem Trau­erzug schlossen sich rund 100.000 Bürger Berlins an.

Ein stei­nernes Kreuz, das damals für ihn an der Stelle des Duells errichtet wurde (etwa dort, wo sich heute die Brücke befindet), wurde 1956 rund 300 Meter weiter nörd­lich in den östli­chen Teil des Jung­fern­hei­de­parks verschoben. Ludwig Hinckel­deys Grab befindet sich auf dem Nikolai-Friedhof an der Prenz­lauer Allee.

Foto: Heino Sauer­brey (Heino​-Sauer​brey​.de)