DDR-Grenzsoldat erschossen

1964: DDR-Zeitungen über den Tod von Egon Schultz

5. Oktober 1964

Nach dem Mauerbau gab es immer wieder Menschen, die Tunnel von West- nach Ost-Berlin gruben, um dadurch Verwandten, Freunden oder Bekannten die Flucht zu ermög­li­chen. Eine Reihe von ihnen verliefen unter der Bernauer Straße, wo die Mauer den Ost-Berliner Bezirk Mitte vom West-Berliner Stadt­teil Wedding trennte.

Von einer Bäckerei neben der Stre­litzer Straße gruben Studenten wochen­lang einen Tunnel auf die andere Seite der Grenze. Dieser kam unter einem Toilet­ten­häus­chen im Hof der Stre­litzer Str. 55 heraus. In den Nächten des 3. und 4. Oktober 1964 konnten insge­samt 57 DDR-Bürger in den Westen fliehen. Dann aber wurde die Flucht­ak­tion entdeckt. Grenz­po­li­zisten und wahr­schein­lich Männer der Staats­si­cher­heit stürmten gegen 0.15 Uhr den Hof und schossen auf die Flucht­helfer. Dabei wurde der 21-jährige Grenz­soldat Egon Schultz durch einen Schuss der eigenen Leute tödlich verletzt.

Die DDR-Propa­ganda schlach­tete den Tod des jungen Mannes aus. Sie behaup­tete, er wäre von den Flucht­hel­fern ermordet worden. Egon Schultz wurde zum Helden hoch­sti­li­siert, sogar die Straße bekam seinen Namen.

Erst nach dem Zusam­men­bruch der DDR wurde durch Stasi-Doku­mente klar, dass er Opfer eines anderen Soldaten geworden ist. Die Straße wurde daraufhin wieder umbe­nannt.